Mittwoch, 27. Februar 2008

Von Mate, Dulce und anderen argentinischen Eigenheiten

Innerhalb von 6,5 Wochen Argentinien zu bereisen bedeutet, nur einen Bruchteil dieses riesigen Landes erkunden zu koennen. Natuerlich sind 6,5 Wochen eine sehr lange Zeit, nicht aber fuer dieses Land. Man brauechte Monate, um es in seiner ganzen Groesse annaehernd erfassen zu koennen (und wir wollten erst noch blauaeugig zusaetzlich nach Brasilien...).
Argentinien ist an landschaftlichen Schoenheiten schwer zu toppen. Und die Herzlichkeit und Freundlichkeit seiner Einwohner haben uns sehr beeindruckt. Ob es wohl an ihrem suessen Zahn liegt, dass sie immer ein Laecheln auf den Lippen haben? Selbst Schleckermaul Steffi kraeuselte sich die Zunge bei diesen zuckersuessen Schmackofazien, die hier jeden Tag vertilgt werden: Es beginnt gleich morgens, wenn zum vorgezuckerten Kaffee (?!?!?!?!?!?) in Honig vorgebadete "Media Lunas" (Croissants) gereicht werden. Diese werden dann mit der beruehmt-beruechtigten Dulce de Leche (karamellisierte Dosenmilch) oder sehr, sehr, sehr suesser Marmelade verfeinert und mit klebrigem Quenchwasser mit Orangengeschmack (wer sich noch daran erinnert...) heruntergespuelt. Nun ja, am ersten Tag ist dies ein ganz interessantes Geschmackserlebnis. Doch nach dem dritten Zuckerschock waren wir nicht mehr wirklich traurig, wenn wir unser Fruehstueck im Supermarkt selbst kaufen mussten.
Eine weitere argentinische Eigenart ist das Matetrinken. Der Tee, der in seinem Geschmack etwas an gruenen Tee erinnert, wird im Nordosten des Landes angebaut und im ganzen Land - zu jeder Tages- und Nachtzeit und immer, wirklich immer - getrunken. Es ist eher ein Zelebrieren der Gemeinschaft, denn der Mate wird oft zusammen und dann auch nur aus einem Becher mit einem Strohhalm getrunken.
Wenn man zu einem Mate eingeladen wird, ist dies eine grosse Ehre: So hatte Constantin seinen ersten Mate in einem Busbahnhof, als ihm eine Verkaeuferin beim Besprechen der Abfahrtszeiten zu einer "Runde" einlud und Steffi in einer Herberge in Bariloche, wo sie der Herbergsvater Uwe (einer der vielen Exildeutschen in Argentinien) einlud.
An Busbahnhoefen gibt es Matenachfuellstationen, wo kostenfrei heisses Wasser bereit steht. Dieses wird dann in die uebergrossen Thermoskannen, die jeder mit sich traegt, gefuellt. Es gibt autobatteriebetriebenen Matekocher fuer Busfahrer und so weiter und so fort - es scheint, dass der Mate die Seele dieses Landes ist.

Apropos Seele: Der Mate scheint diese zum Teil sehr zu beruhigen. Denn die Uhren ticken hier wirklich etwas langsamer (und nicht immer richtig, denn zur Sommerzeit stellt nicht jeder seine Uhr um) und wenn man drei Stunden bei der Post ansteht, um Briefmarken zu kaufen, muss man sich nicht wundern. Hinzu kommt ein uns nicht nachvollziebares Verkaufssystem, das obligatorisch mit dem Ziehen einer Nummer beginnt. Ein Beispiel: Wir zwei tapern in eine Apotheke, um "nur mal schnell" eine Sonnencreme zu kaufen. Die Apotheke ist leer, es gibt neben den vier Verkaeuferinnen und uns keine weiteren Menschen in diesem Raum.
Der Verkaufsakt vollzieht sich nun wie folgt:
Wir ziehen eine Nummer und Verkaeuferin A ruft uns auf. Wir fragen sie nach dem Preis der Sonnencreme (ist naemlich nirgendwo ausgezeichnet). Verkaeuferin A schleicht mit uns zu Kasse 1, wo sie uns den Preis mitteilt und uns einen Bon in die Hand drueckt. Mit diesem gehen wir zu Verkaeuferin B an Kasse 2, wo wir die Creme bezahlen und einen Stempel "Pagado" gelangweilt auf unseren Bon geknallt bekommen. Mit diesem geht es zu Verkaeuferin C, die uns an der Warenausgabe den Bon abnimmt. Verkaeuferin D haendigt uns dann doch tatsaechlich die Creme aus und stolz wie Lumpi duerfen wir mit unserer Beute von dannen ziehen...
Ein letztes Wort an alle Vegetarier dieser Welt: Schinken und Huehnchen sind gar kein Fleisch! Argentinier lieben Fleisch. Zurecht, wovon sich Constantin bei mehrmaligen Vertilgen der uebergrossen Steaks (Mr. Rumpsteak ist Kindergarten gegen die 500g Fleischlappen, die hier auf dem Teller landen!) ueberzeugen konnte. Wenn Steffi nach eingehendem Studieren der Karte allerdings nach etwas ohne Fleisch fragte, wurde ihr generell Gefluegel angeboten. Und vegetarische Empanadas enthalten hier zum Teil schinken - anscheinend "fuer den Geschmack". Also gab es oft einfach nur noch einen Ausweg: Pizza MUZZA.